Wider die Übelgesinnten und Kameleons!

Greta Lahn

Archivsignatur: HAStK, Best. 14, A17, fol. 178, Digitalisat

Transkription (deutscher Text)

Freiheit, Einheit, Gleichheit, Untheilbarkeit, Verbrüderung. 

Im Hauptquartiere zu Köln den 24ten des Regenmonathes, im dritten Jahre der französischen einigen und untheilbaren Republick. 

Der Brigade-General, und Stadtkommandant

An den Magistrat! 

Die Uebelgesinnten, welche, gleich dem Kameleon, alle Farben annehmen, alle Gelegenheiten ergreifen, um die öffentliche Ruhe und Ordnung zu stöhren, werden gewiß nicht ermangeln, das, was ihr Karneval nennet, zu benuzen, um einige Unruhen anzustiften, wovon die aristokratische Horde immer einigen Vortheil zu ziehen wissen würde. 

Um nun allem, was Ruhe und Ordnung stöhren kann, vorzubeugen, gebe ich euch hiemit den bestimmten Auftrag und auf eure Verantwortung, euern Mitbürgern, alle Maskeraden, alles hin- und herlaufen auf den Gassen in Masken oder in Verkleidungen, wie diese immer seyn mögten, einzeln oder zusammen, zu verbieten. 

Ich verbiete zugleich und von neuem jede Art von Versammlung, sogar die Bälle, es seye dann, daß ich darzu die Erlaubniß gegeben habe; wobey ich aber von euch und dem Aufsichtsausschuße vorher Nachricht einziehen werde, ob die gute Aufführung derjenigen, welche solche Belustigungen vorschlagen, für ihre Handlungen bürge. 

Ihr werdet mir in 24 Stunden die zur Folge dieses Briefes ergriffenen Maaßregeln anzeigen. 

Gruß und Verbrüderung 

DAURIER.

Gegenwärtiges hat die Expeditions-Kanzley in beiden Sprachen zum Druck befördern, durch den Trommelschlag öffentlich verkünden, und gewöhnlicher Orten anheften zu laßen. 

Sign. Köln den 12ten Hornung 1795. 

J. J. CARDAUNS, Dr. Secret. mpp.

Zusammenfassung und Anmerkungen zum Inhalt

Es handelt sich bei dem Edikt um ein Schreiben des Brigade-Generals und Stadtkommandanten Daurier an den Magistrat, also den Stadtrat Kölns. 

Daurier sieht in den Kölner Karnevals Traditionen, dem Verkleiden, Maskieren und Versammeln in Menschenmengen eine Möglichkeit für „Übelgesinnte“, Unruhe zu stiften.

Hierbei ist hervorzuheben, dass nicht der Karneval selbst als gefährlich angesehen wird, sondern dass die französischen Machthaber darin einen Weg für Aufrührer sehen, unbemerkt zu bleiben. Diese würden ebenso wie die Feiernden eine Verkleidung annehmen, um die öffentliche Ordnung störende Machenschaften zu verschleiern. 

Um was genau es sich hierbei handeln soll und welche Taten Daurier mit seinem Erlass zu verhindern versucht, wird nicht näher beschrieben. Jedenfalls würde die „aristokratische Horde”, also Gegner der Revolution, ihren Nutzen aus dem Tun der Unruhestifter ziehen. 

Besonders fällt hier der Vergleich mit dem Chamäleon (hier: „Kameleon“) auf; das Tier wird in diesem Schreiben in doppelter Weise zum Symbol für die Übeltäter. Zum einen verkleiden diese sich und passen sich so der Menschenmassen an, wie sich auch Chamäleons zum Schutz an ihre Umgebung anpassen. Im Zedler-Lexikon des 18. Jahrhunderts wird das Chamäleon zum anderen zum Sinnbild „(…) eines veränderlichen Gemüths (…)“[1] erklärt und daher „(…) von einem unbeständigen Menschen gesaget, er (sei) veränderlicher als ein Chamäleon.“[2] Wird hier also der Vergleich mit einem Chamäleon herangezogen, sind unbeständige, unzuverlässige Menschen gemeint. Das Chamäleon war also schon Ende des 18. Jahrhunderts als Metapher in der deutschen Sprache etabliert.

Zum Schutze der öffentlichen Ruhe und Ordnung sollen das Verkleiden, Maskieren, das „hin-und herlaufen“ (was wir auch heute noch vom Kölner Straßenkarneval kennen) und auch die Bälle verboten werden. 

Einzig vorher angefragte und erlaubte Veranstaltungen dürfen stattfinden – bei guter „Aufführung“ des Antragstellenden. Mit guter Aufführung ist in diesem Kontext ein aus Sicht der französischen Machthaber einwandfreies Verhalten gemeint: Nur Personen, die sich noch nichts zu Schulden haben kommen lassen, sind berechtigt, Karnevalsveranstaltungen abzuhalten. 

Die erlassenen Maßnahmen sollen innerhalb 24 Stunden ergriffen und durch die „Expeditions-Kanzley“ zweisprachig (deutsch/französisch) gedruckt und verbreitet werden. Um auf den Erlass aufmerksam zu machen, soll dessen Verkündung durch Trommeln untermalt werden. 

Die Datumsangabe erfolgt im deutschsprachigen Teil des Edikts zweifach: Zu Beginn nach dem gewissermaßen eingedeutschten französischen Revolutionskalender, es ist vom „Regenmonath“ (franz. Pluviôse) die Rede. Unterzeichnet wird nach dem gregorianischen Kalender. Hier wird statt Februar der Monatsname Hornung verwendet. 


[1] Zedler, Johann Friedrich, Art. „Chamäleon, Cameleon, lateinisch und französisch auch Chameleon“, in: Großes vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschafften und Künste 5, Halle und Leipzig 1733, Sp. 1964f.. 

[2] Ebd.

Verzeichnis von 1899

Bezeichnung im Verzeichnis von 1899: Mummereiverbot

Laufende Nummer im Verzeichnis von 1899: 3136