Kölns verlorene Meisterwerke
Anna Koch
Transkription
„Da die hiesige Munizipal-Verwaltung von dem Bürger Keil Commissaire du Gouvernement francais, chargé de recueillir les objets d’arts & desciences dans les Pays conquis d’Allemange unterm 14ten Brumaire 5ten Jahrs schriftlich aufgefordert ist, einen Procès verbal über sämtliche Kunst- und Wissenschafts-Gegenstände, welche hier in Köln von den französischen Volksvertreter, oder von den französischen Agenten, oder Kommissarien sind hinweggenommen worden, zu errichten, darinn sämtliche Gegenstände, so viel als möglich, nahmentlich zu specificiren, und dabey die Art, wiediese Hinwegnahme geschehen, zu bemerken; als wird dem hiesigen Exjesuiten Collegio, sodan sämmtlichen und jeglichen hiesigen Stiftern, Klöstern, Pfarreyen und sonstigen Einwohnern, welche sich in dem obigen Falle befinden, hiemit anbefohlen, das bey ihrem hinweggenommen nahmentlich und genauest zu verzeichnen, dabey auch die Art der geschehenen Hinwegnahme anzuführen, und dieses Verzeichniß längstens binnen 2mal 24 Stunden bey der hiesigen Expeditions-Kanzley zweyfach in französischer Sprache unfehlbar einzureichen.
Der Kanzley geschieht somit der Auftrag, gegenwärtiges zum Druck zu befördern, allenthalben anheften und austheilen zu lassen.
Köln den 15ten Brumaire 5ten Jahrs, alten St. Den 5ten 9ber 1796.
Aus Auftrag der Munizipal-Verwaltung
Vr Heinsberg
Munizipal-Verwalter. Dolleschall Dr. Secretarius.“
Zusammenfassung und Anmerkungen zum Inhalt
Das vorliegende Edikt der städtischen Verwaltung von Köln bezieht sich auf eine schriftliche Aufforderung des Bürgers Keil, der als Beauftragter der französischen Regierung tätig war. Seine Zuständigkeit umfasste die Sammlung von Kunst- und Wissenschaftsobjekten in den eroberten Gebieten Deutschlands. Diese Anordnung, datiert auf den 14. Brumaire im 5. Jahr der Französischen Republik (4. November 1796 gregorianischer Zeitrechnung), verlangt die Erstellung eines ausführlichen Protokolls über alle Kunst- und Wissenschaftsgegenstände, die von französischen Kommissaren aus Köln entfernt wurden. Das Protokoll soll eine genaue Auflistung aller Objekte sowie eine Beschreibung der Umstände ihrer Entfernung beinhalten. Insbesondere werden das ehemalige Jesuitenkolleg, alle kirchlichen Stifte, Klöster, Pfarrgemeinden und sonstige Einwohner Kölns aufgefordert, detaillierte Listen der entfernten Gegenstände zu erstellen. Diese Listen sollen die Objekte namentlich benennen und die Art der Wegnahme beschreiben. Die Aufzeichnungen sind innerhalb von 48 Stunden zweifach in französischer Sprache bei der Expeditionskanzlei einzureichen.
Der im Edikt erwähnte „Bürger Keil“ ist der im September 1796 vom Innenminister zum Staatskommissar für Wissenschaft und Kunst für die linksrheinischen Gebiete ernannte Kommissar Anton Keil. Keil suchte die kirchlichen Einrichtungen Kölns auf, um Objekte für die Ergänzung des Bestandes der Nationalbibliothek zu finden. Als er schließlich im Jahr 1796 erneut mit der Aufgabe betraut wurde, Kunst- und Wissenschaftsobjekte im Rheinland (im Gebiet zwischen Maas, Mosel und Rhein) zu konfiszieren, wurde die Bevölkerung im November zum Protokollieren der hinweggenommenen Gegenstände aufgefordert. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass in Paris beim Empfang der Waren aus den besetzten Gebieten keine Empfangslisten geführt wurden. Daher könnten die Bürger*innen von Köln zu einer solchen Aufstellung aufgefordert worden sein. Die genauen Gründe und Hintergründe dieses Edikts bedürfen jedoch einer weiteren Untersuchung.
Historischer Kontext
Unter dem Deckmantel der Verbreitung revolutionärer Ideale marschierten französische Truppen in mehrere Nachbarländer ein, was zu tiefgreifenden politischen und gesellschaftlichen Umwälzungen führte. 1794 besetzten sie das Rheinland, einschließlich Köln. Diese Besatzung dauerte bis 1814 an und brachte neben politischen Veränderungen auch massive kulturelle Auswirkungen mit sich. Kunstwerke und Kulturgüter aus Kirchen, Klöstern und privaten Sammlungen wurden systematisch beschlagnahmt und nach Frankreich abtransportiert. Auch in Köln wurden zahlreiche Kunstwerke beschlagnahmt, darunter Gemälde, Skulpturen, religiöse Artefakte und Manuskripte. Viele dieser Werke stammten aus den reich ausgestatteten Kirchen und Klöstern der Stadt. Besonders betroffen waren die großen Stifte und Abteien wie St. Maria im Kapitol und das Kloster St. Gereon. Auch das ehemalige Jesuitenkolleg war Ziel der Plünderungen, da es viele wissenschaftliche Artefakte enthielt.
Der Kunstraub hatte nachhaltige Auswirkungen auf das kulturelle Erbe Kölns. Viele der entwendeten Kunstwerke wurden nach dem Ende der Besatzung 1814 nicht zurückgegeben und befinden sich bis heute in französischen Museen und privaten Sammlungen. Der Verlust dieser Kunstschätze bedeutete für Köln eine erhebliche kulturelle Verarmung. Die Rückkehr einiger Werke nach dem Wiener Kongress (1814-1815) ermöglichte es Köln jedoch, Teile seines kulturellen Erbes wiederzuerlangen. Das bekannteste Kunstwerk, das zurückkehrte, war das Gemälde der Kreuzigung Petri von Peter Paul Rubens, das heute wieder über dem Altar der Kirche St. Peter zu sehen ist.
Für weiterführende Informationen
Savoy, Bénédicte, Kunstraub. Napoleons Konfiszierungen in Deutschland und die europäischen Folgen, Wien / Köln / Weimar 2010.
Valentini, Laura, "Befreites Kulturerbe"? Köln und der Kunstraub während der französischen Besatzung 1794–1815. Masterarbeit, Köln 2017.
Verzeichnis von 1899
Bezeichnung im Verzeichnis von 1899:Verzeichnis über die weggenommenen Kunstgegenstände etc. anzufertigen
Laufende Nummer im Verzeichnis von 1899: 3260